I hate Mozart / 2006
Opera by Bernhard Lang
Libretto: Michael Sturminger.
New production: from Theatre an der Wien in the Mozart year 2006
Cast: Florian Boesch, Dagmar Schellenberger, Mathias Zachariassen, Andrea Lauren Brown, Salome Kammer, David Pittman-Jennings, Rupert Bergmann, Dieter Kovacic, Wolfgang Fuchs, Ensemble Nova, Klangforum Wien.
Сonductor: Johannes Kalitzke.
Stage and Costume Designer:Â Renate Martin und Andreas Donhauser.
Stage Director:Â Michael Sturminger
Marionetten des Scheiterns: “I Hate Mozart”
Uraufführung im Theater an der Wien: Auftragswerk des Mozartjahres von Bernhard Lang und Michael Sturminger
Komponist Lang und Librettist Sturminger werfen einen Blick auf Theaterexistenzen.
Wien – Wie es im Traum eines Mozart-Musikers wohl tatsächlich passieren kann: Da begehren plötzlich bleiche Rokokogeister Einlass, bedrängen den unruhig schlafenden Dirigenten, der auch von seiner letzten Stunde träumt, Bilanz zieht und zum Schluss kommt, dass er in seinem bisherigen Dasein niemanden so schlecht behandelt hat – wie Mozart! Es ist allerdings durchaus noch etwas Zeit bis zum finalen Atemzug. Also, zurück in die Lebenshölle des Künstleralltags.
Das heißt: Noch eine kleine hoffnungsvolle Liebschaft der Karriere opfern. Bei “Zauberflöte”-Proben Kollegen nerven und einen ebenfalls Mozart-geplagten Tenor fertig machen. Auch ein bisschen die gescheiterte Ehe mit der Diva weitertreiben. Sich durch einen Staatspreis quälen lassen. Und als Finale: Noch eine Premierenfeier dazu nutzen, den Kollegen endlich die Frustmeinung entgegen zu schmettern – als von Illusionen entleerter Musiker im Bewusstsein des Scheiterns an eigenen Ansprüchen.
Backstage-Oper
Die Standpauke lässt Adriano Morado (sehr präsent: Florian Boesch) am Ende ziemlich einsam zurück. Davor allerdings ist viel Trubel um ihn. “I Hate Mozart” von Bernhard Lang (Musik) und Michael Sturminger (Libretto und Regie) ist ja eine Art Backstage-Oper, eine Nahbetrachtung all jener Klischees, die so über Theaterleute in den Köpfen herum schwirren.
Der Agent (David Pittman-Jennings), in Alpträumen ist er gequälter Sängerknabe, wäre gerne Vokalist geworden. Der Tenor (Mathias Zachariassen) outet sich spät als Fan des eigenen Geschlechts. Die junge Sängerin (Andrea Lauren Brown) glaubt noch an große Gefühle. Der Journalist lässt sich von der Diva (Dagmar Schellenberger) einwickeln, die ihrerseits nicht loslassen kann und unbedingt noch einmal Pamina sein will. Das ergibt im Theater an der Wien, bei dieser Kooperation mit dem Festival Wien Modern, ein nettes Boulevardstück voller Träume und Alpträume und ist geprägt von jener Stilistik der Wiederholungen, die man beim Werk des Komponisten Bernhard Lang nun schon zur Genüge kennt.
Was bei Instrumentalwerken von spannungsbringendem Reiz ist, bewirkt als szenische Intervention abgesehen von einer schüchternen Absurdisierung des Geschehens wenig. Worte und Sätze werden drei bis viermal repetiert. Nur ganz selten erlangen sie dadurch jedoch neue Bedeutungen oder entlarvenden Witz. Im Grunde lassen sie die Figuren zu Betonungsmaschinen werden, deren Wiederholungsaktionen zu Rufzeichen mutieren.
Etwas mehr Linie
Doch der Effekt nützt sich schnell ab, beschwert die Geschichte, die ja an sich eine ganz konventionelle ist. Gewissermaßen eine widersprüchliche Sache: Eine Komponiermethode, die dazu prädestiniert ist, Dinge zu dekonstruieren, prallt auf ein Wortgebilde, das sich der Dekonstruktion unentwegt verweigert. Kein Wunder, dass nach der Pause immerhin etwas mehr Linie in die Oper kommt, nachdem sich die Zahl der Repetitionen reduziert hat.
Im Klanglichen und Stilistischen jedenfalls ist mehr Stringenz zu erleben. Da wird Mozart übermalt, verfremdet, der Einsatz von zwei DJs bereichert zusätzlich, immer wieder kling es auch Bigband-artig. Und weil das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke das Dahinschmelzen vor Tradition in Richtung Moderne profund betreibt, ereignet sich mehrfach die Erschaffung einer raffinierten Klangwelt, die Bühnenvorgänge mit atmosphärischer Substanz ausstattet und so aufwertet.
– LJUBISA TOSIC, “Der Standrad” vom 10.11.2006