Peer Gynt / 2008
Ein dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen
Production: Wiener Volkstheater
Inspiriert von einem nordischen Volksmärchen erzählt Peer Gynt vom jungen Bauernburschen Peer, der vom Totenbett seiner Mutter Aase in die weite Welt zieht – aus Abenteuerlust, vor allem aber auf der Suche nach der eigenen Identität. So verlässt er Solveig, die ihn liebt, und heißt sie, auf ihn zu warten – er geht „außen herum” um die halbe Welt.
Mutter Aases „Peer, du lügst” und seine Antwort „Nein, es ist wahr!” schlagen das Hauptthema des vielverschlungenen Stücks an: Peer lügt. Soweit er ein Aufschneider, Träumer und Fantast ist, lügt er nicht ohne Charme und bezaubert. Er ist aber auch ein Egoist und Versager, der sich in die beschönigende Lüge flüchtet. Peer raubt und verlässt eine Braut, begegnet seltsamen Trollen, verfällt der Tochter des Trollkönigs, wird reich durch Sklavenhandel in Afrika, träumt davon, durch sein Geld zum Kaiser der Welt zu werden und landet schließlich in Kairo im Irrenhaus. Als alter Mann und unerkannt kehrt Peer nach Hause zurück. Er erfährt, dass man ihn für tot hält, einzig Solveig wartet auf ihn. Er trifft auf den Knopfgießer, der ihn – Mann ohne Identität und daher wertlos – umgießen will. Die Zwiebel wird zum Gleichnis seines Lebens: „Bis ins Innerste nur Häute und Häutchen – nur dünnere und dünnere – kein fester Kern.”
Vom Fortlaufen und Ankommen, vom Schweben zwischen Realität und Traum, von Irrwegen und Umwegen erzählt das Stück. Ein egozentrischer Träumer und Fantast durchrast unbefriedigt und glücklos sein Dasein, findet keinen Halt, hat kein Ziel, sucht nach immer neuen Identitäten und muss am Ende feststellen, dass er am Eigentlichen vorbei gelebt hat.
Peer Gynt, wohl auch als Abrechnung des Dichters mit seinen norwegischen Landsleuten, ihrer Willensschwäche, Cliquenwirtschaft und Selbstzufriedenheit entstanden, gilt heute als „nordischer Faust”.
Photos by © Lalo Jodlbauer
Cast: Raphael von Bargen, Beatrice Frey, Annette Isabella Holzmann, Michael Schottenberg, Alexander Lhotzky, Susa Meyer, Claudia Sabitzer, Luisa Katharina Davids, Thomas Kamper, Wolf Dähne, Christoph F. Krutzler, Till Firit, Veronika Glatzner, Günther Wiederschwinger, Thomas Meczele.
Music: Gerald Preinfalk.
Dramaturgy: Susanne Abrederis. Set: Ralph Zeger.
Costume designer: Alfred Mayrhofer.
Stage director: Michael Sturminger.
„Regisseur Michael Sturminger macht aus dem Welttheater „Peer Gynt” eine dreieinhalbstündige klinische Studie, die dank des starken Ensembles überzeugt. […] Tolle Leistung Raphael von Bargens. […] Sturminger hat Ibsens Welttheater zurückgeführt zur Einbildungskraft des Dichters, er hat es zu einem Kammerspiel gemacht, diese Kopfgeburt ist durchaus gelungen, vor allem durch von Bargens tollen Einsatz. Die Rolle des Zerrissenen voller Bindungsängste ist ihm auf den Leib geschrieben. Er gibt völlig überzeugend einen kranken Geist in einem prächtigen Körper, das nötigt Respekt ab. […] Neben ihm behauptet sich Holzmann als feenhafte Solveig, und auch Thomas Kamper spielt stark. Skurriler ist nur noch Hausherr Michael Schottenberg in wenigen Kurzauftritten als nihilistischer Knopfgießer, der die Gestalt eines überheblichen Primararztes angenommen hat. […] Das ganze Ensemble aber, das vielfach mehrere Parts spielt, mit Luisa Katharina Davids etwa als entführter Braut und Sennerin, Christoph F. Krutzler als Schmied und Trollriesenbaby, Susa Meyer als Anitra und als Kapitän, Till Firit gar in fünffacher Rolle bietet eine starke Leistung.” (Die Presse)
„Gespielt wird großteils großartig. Das ganze Ensemble turnt dermaßen leichtfüßig durch das sperrige Stück, dass es unfair wäre, hier einzelne Namen herauszugreifen. Nur einen: Raphael von Bargen, der sich “Peer Gynt” anzieht wie eine zweite Haut. Der bohrt (Bauarbeiten), nagelt (Beischlaf), betrügt, bittet, bebt, dass einem der Atem stillsteht. Fazit: von Bargen, der Held des Abends.” (Kurier)
„Raphael von Bargen spielt Peer Gynt, er spielt ihn kraftvoll, selbstbewusst, eindrucksvoll. Mutter Aase (schlicht und groß Beatrice Frey). Sehnsuchtsfrau Solveig: Annette Isabella Holzmann spielt sie zart und anrührend.
Regisseur Michael Sturminger hat für das 140 Jahre alte Märchen eine intelligente, aber sehr kalte Interpretation gefunden. Alle Stationen der Reise aus Traum und Unterbewusstsein zu entwickeln, ist ein modernes, schlüssiges Konzept.” (Wiener Zeitung)